Zweig, Stefan, Schriftsteller (1881-1942).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Wien, Kochgasse 8, ohne Jahr (ca. 1910), Gr.-8°. 2 Seiten.

Nicht vorrätig

Beschreibung

An den befreundeten Schauspieler Wilhelm Klitsch (1882-1941): „[…] ich war gestern in Hamlet, um Sie zu sehen. Ich habe sehr die menschlich künstlerische Vertiefung in diese gewaltigste aller Rollen bewundert, wenn ich auch im letzten glaube, dass der Hamlet nie Ihnen ganz zu gewinnen sein wird. Hamlet ist für mich der Literat, der Bücherleser, ein kränklicher blasser, schwacher Mensch, eine Zwiespaltnatur und Ihnen hemmen bei der Illusion die äusseren Formen (zu denen Sie zu beglückwünschen sind!) nämlich Gesundheit, Geradheit, Offenheit, alle diese menschlichen Tugenden den Weg. Ich hatte bei Ihrem Hamlet aus der innern gewaltigen Kraft Ihrer Natur immer den Eindruck: er wird sich aufraffen, er ist nur momentan schwach, innerlich aber stark, was für mein Empfinden der Hamletidee widerspricht, denn er ist nur in Secunden stark, im Wesen aber krank, schwach, angefault, gebrochen. Bei Ihnen war der Wahnsinn Hamlets nur Betrug, während er in Wirklichkeit glaubt zu betrügen und gleichzeitig schon selbst betrogen ist, durch Wahnsinnspielen nicht mehr normal ist. Tu ich Ihnen mit dieser offenen Ansicht weh? Glauben Sie mir […] ich verkenne nicht die grosse Leistung Ihres Hamlet, aber die echte Künstlernatur kann Ihren menschlichen Character nicht verleugnen, das Gerade nicht krumm zu machen, und Sie sind ein so wunderbar durch Jugend und Gesundheit in sich geschlossener Mensch, dass das Hamletspielen für Sie eine gewisse Negierung Ihres Ichs bedeuten müsste, die eben der echte Künstler nicht kann, Mag ich befangen sein – aber Ihr Balthasar (die Qual der Gewissensehrlichkeit) war mir eine tausendfach höhere Leistung. Sind Sie mir jetzt böse? Wir werden über all diese Dinge einmal zusammen reden und da klingt es besser (auch einzelnes möchte ich darin bereden.) Seien Sie aber ebenso aufrichtig bei meinem Stück [‚Tersites‘], wie ich bei Ihrem Hamlet: Freundschaft ist Ehrlichkeit gegen einander, Dass Sie, trotz dieser bedenken, die Krone dieser Vorstellung waren, ist ein zu geringes Lob. Aber ich musste noch nachher lachen, wenn ich an diesen König aus dem Pumpernickelland und seine buhlerische Gemahlin dachte […] Nicht böse sein, Klitsch!“ – Wilhelm Klitsch spielte 1906-29 am Deutschen Volkstheater in Wien und gab dort 1910 erstmals dem Hamlet. – Mit kleinem Sammlerstempel auf der Rückseite.