Wagner, Cosima, geb. Liszt, zweite Frau Richard Wagners (1837-1930).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift „Cosima Wagner „. Bayreuth, 16. IV. 1876, Gr.-8°. 10 Seiten auf 3 Doppelblättern mit Trauerrand.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Persönlicher, von der Trauer über den Tod der Mutter getragener Brief an den kaiserlichen Obersthofmeister Rudolph von Liechtenstein (1838-1908) auf Schloss Neulengbach bei Wien, geschrieben in der Zeit kurz vor Eröffnung der ersten Bayreuther Festspiele. Cosima erwähnt nicht nur viele Details aus der Arbeit Richard Wagners (Walküre für Wien), dem Familienleben und der religiösen Erziehung des Sohnes Siegfried, sie spricht den Fürsten als eine Art Seelenverwandten an und schenkt ihm Hippolyte Taines „Les origines de la France contemporaine“: „Es war dies die letzte Gabe meiner Mutter, sie schickte mir es mit der Bemerkung, dass bei aller Bewunderung sie es doch mehr für mich geschrieben fände als für sie, das sie noch voller Illusionen und Hoffnungen sei! …. Mit welch eigenthümlichem Gefühl ich Ihnen im Sternwandeln gefolgt bin, werden Sie aus dem kleinen Zettel ersehen welchen ich als Erwiderung beilege […]. Auch unsere traurige Erde ist ein Stern, und hohe Gedanken und edle Gefühle, erhabene Töne, und schweigende Stille, können als die wonnigen Gefilde gelten wo sich zu begegnen und begrüssen eine Seligkeit ist! Mein Gedanke ergänzt den Ihrigen – und darf es Sie nicht kümmern dass wir hienieden Individuen sind, während in Ihrem Stern sich wohl die Ideen grüssen […] Sie sehen, lieber Fürst, dass die Verwandtschaft gilt, und dass das Vorgestelltsein erst hier vorgenommen werden kann, und der Bekanntschaft nachfolgen muss, allen Gesellschaftsregeln zum Trotz! […] – Der Kirchenrath bleibt also reserviert, für den Fall, dass unseres Meister’s alles überwuchernde Beredsamkeit Sie nicht noch für Wahnfried umstimmt .. Ich hoffe dass es unnöthig sein wird, und glaube es ein wenig in meiner Hand zu haben. Ich schrieb Ihnen, glaube ich, ein Mal, dass das hiesige Glück darin bestehe dass alles Elend in der Tiefe ruhe; kommen aber solch jähe Ereignisse wie der Tod meiner Mutter, mir roheste Weise (Zeitungsnotiz in Berlin) kund geworden, so wird auf ein Mal alles aufgewühlt […]. Nun gesellt sich zu diesem Eindruck (für den Meister) die Reihe der wehmüthigsten Betrachtungen; kommen schon jetzt die Theater und verlangen die Walküre als Cassenstück, bevor er nur hat zeigen können was er will, und muss er sich wohl im Voraus eingestehen dass er wird nachgeben müssen, wie soll er dann sein Wirken, sein Lebensziel, betrachten. Muss er sich nicht sagen dass eine Sendung nur ein Flüchtigstes hervorbringen konnte? […]“. – Cosima Wagner war die nichteheliche Tochter Franz Liszts und der Gräfin Marie d’Agoult, die unter sich unter dem Pseudonym Daniel Stern einen Namen als Schriftstellerin machte. Erst seit 1844, nach der Legitimierung durch ihren Vater, trug Cosima den Namen Liszt und wurde, wie ihre Geschwister Blandine und Daniel von der Großmutter Anna Liszt und später in einem Pariser Institut erzogen. Liszt bestand lange Zeit darauf, dass es keinen Kontakt zur leiblichen Mutter gab. Marie d’Agoult starb in Paris am 5. März 1876. Cosima Wagner hatte davon am 7. März aus der Zeit erfahren und vom 3. bis 6. April nochmals in deren letztem Buchgeschenk, Taines „Les origines“, gelesen (Tagebücher, S. 975 und 977 f.). – Das beherrschende Thema jener Tage im Hause Wagner war der in vorliegendem Brief erwähnte Streit um eine geplante Aufführung der „Walküre“ unter Franz Jauner am 5. März 1877 in Wien. Dazu heißt es in den Tagebüchern (S. 980): „Brief von Herrn Direktor Jauner, sich freuend, die Walküre für Wien zu bekommen (Bedingung für die Materna!!!), will schon jetzt mit Dekorationen beginnen – – -. R. außer sich“.