Spengler, Oswald, Schriftsteller und Kulturphilosoph (1880-1936).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift München, 25. VI. 1919, Gr.-8°. 3 Seiten. Doppelblatt.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Hochbedeutender Brief an den Verlagsmitarbeiter bei C. H. Beck in München, August Albers, über sein Hauptwerk „Der Untergang des Abendlandes: „[…] Ich antworte gleich, obwohl ich heute wieder einen meiner schlechtesten Tage habe. Ich kann mich nach außen ganz gut beherrschen, aber dieser Friedensschluß packt einen furchtbar, obwohl ich weiß, daß wir den Weg Tilsit-Leipzig wieder einmal machen werden und daß die 3 Irrsinnigen [die Siegermächte] in Versailles nur eine Pause im Weltkrieg diktiert haben. Die Versenkung der Flotte ist doch endlich einmal ein Akt nationalen Stolzes. Ich schrieb nun eben an Guggenheim. Am Mittwoch, den 2. Juli, werde ich [in die Schweiz] abfahren […] Wenn ich nur erst dort wäre! Ein paar Wochen in einer friedlichen Umgebung! Ich kann hier nicht mehr arbeiten. Die Besprechungen und ein Paket mit Manuskripten […] werde ich in Ihrer Wohnung abgeben. Außer der Bemerkung [Georg] Simmels, daß es sich um die wichtigste Geschichtsphilosophie seit Hegel handelt, werden Sie nicht viel Gescheites in all den Rez[ensionen] finden. Der Druck ist schon im Gange, die Korrektur bis Bogen 35 fertig. Die Aushängebogen haben sehr gutes Papier. Im Expressionismus laufen nicht 2, sondern zahllose Ausdrucksformen zusammen. Unter diesem Schlagwort hat sich der ganze Marasmus der Zeit: Das Dilettieren überflüssiger und sehr intelligenter Menschen, das Wollen und nicht Können, das Wollen und nicht Wissen ‚was‘, das Bedürfnis nach grundsätzlichem Blödsinn (in Amerika durch Niggertänze befriedigt), ehrliche Prinzipienreiterei, die erst ein Ziel ermittelt und es dann unentwegt verwirklicht, der senile Geschmack westlicher Großstädte und östlicher Barbaren, die von einer fremden Kultur vergiftet sind, und noch vieles andre zusammengefunden. In diesen Tagen ist mein Freund ‚Hans Heiden‘ [d. i. Adolf Weigel …] hier und liest mir einen Band von Gedichten vor, den er im Spätsommer drucken lassen will […] Ich finde, diese Lyrik – auch etwas ‚letztes‘, denn es wird nicht mehr viel kommen; auch das ist eine sterbende Kunst – gehört zu meinen Arbeiten. Nun leben Sie herzlichst wohl und genießen Sie die letzte Zeit ihres freien Menschseins […]“ – Der Vertrag von Versailles wurde am 28. Juni 1919 unterzeichnet. Die Selbstversenkung der Kaiserlichen Hochseeflotte in Scapa Flow fand am 21. Juni 1919 statt. – Druck: Briefe (1963), S. 130 f.