Beschreibung
An den Schauspieler und Deklamator Joseph Lewinsky (1835-1907): „[…] ich bin Ihnen noch eine Erklärung schuldig. die mich so drückt, daß Sie sie sich durch diese Zeilen gefallen lassen müssen. Ich hörte nämlich, daß Sie neulich mit dem Beginn Ihrer Vorlesung auf uns gewartet hatten. Was müssen Sie eigentlich denken, daß wir, gerade wir, zu spät kommen? Es verhält sich aber so: wir waren noch nie in dem Gebäude gewesen, und frug ich am Morgen im […] Geschäfte, wo dasselbe sey. Man sagte mir Lange Strasse 1, und dahin liessen wir uns nachdem der Kutscher behauptet hatte, es sey in der Eschenheimer Gasse, fahren. Zu unserem Wundern kamen wir an den Main an ein stockfinsteres Haus, und nun mußten wir in einem anderen Hause erst fragen, wo der Verein sey? so verspäteten wir uns, und hatten freilich insofern Schuld, daß wir nicht, wie der Engländer sagt ‚time for an accident‘ gegeben hatten. Wie quälte mich dann noch der Gedanke, daß Sie durch die Verspätung kaum noch Zeit vor Ihrer Abreise fanden, sich etwas zu stärken! Daran darf ich gar nicht denken, es ist entsetzlich, daß wir das noch auf unserem Gewissen haben, nachdem wir durch Sie so herrlichen Genuß gehabt! Ich hoffe, Sie verleben jetzt im Kreise Ihrer Lieben Ihrigen gemüthliche, freilich nur gar zu kurze Zeit. Grüßen Sie Ihre liebe Frau, und, sollten Sie Frankf[urt] wieder besuchen, so vergessen Sie nicht, daß Sie eine zwar einfache Fremdenstube, aber warme Herzen in der Myliusstr. [32] finden […]“ – Clara Schumann hatte den berühmten Schauspieler, der auch mit Brahms befreundet war, im Dezember 1858 als Franz Moor gesehen und achtete ihn seither hoch (vgl. u. a. Brief an Brahms, 3. III. 1860; P. Clive, Brahms and His World, S. 290). – Nicht bei Litzmann. – Schöner Brief.