Beschreibung
An den Neurologen Eberhard Zwirner. – I. (14. V. 1952) Wegen eines Besuches: „[…] Abends bin ich ‚gesprächiger‘ als vormittags. Können Sie ein Wort über die ungefähre Stunde Ihrer Ankunft schreiben? […]“ – II. (19. V. 1952, Karte): „[…] Ich würde gern auch einen Wagen besorgen, damit Sie Ihren Lüdenscheider Freund besuchen könnten […]“ – III. (31. V. 1952, Separatdruck): „Herzliche Pfingstgrüsse […] und vielen Dank für Ihren Brief vom 27. Mai und die sehr interessanten Veröffentlichungen, die mir Ihre Welt der Phonometrie öffnen werden! […]“ – IV. (4. XII. 1952): „[…] Ihre ‚Grundfragen‘ habe ich gelesen und zwar sogar mit Spannung, und mit grösster Freude an der sauberen Methode des Denkens und Sprechens. Vieles […] ist auch für mich unmittelbar fühlbar. Dass ich mich mit meiner Handschrift unter Ihre Lupe begebe, ist ein Zeichen menschlichen Vertrauens. Aber am Schluß des Buches und der Aufsätze weiß ich nicht, was ich in der Hand habe – sehr zum Unterschied von unserm Gespräch, besonders auf dem Spaziergang zur Burg Altena, das mir unvergesslich ist. Sie müssen mein langes Schweigen verzeihen. Ich sitze hier in einem U. Boot (was übrigens eine dem submarinen Charakter des modernen Daseins adäquate Form der Existenz ist), meine Augen sind übermüdet und schmerzen mich oft; Schreibhilfe habe ich nicht, wenn meine Tochter Anima nicht gerade da ist […] die Landschaft des Sauerlandes […] weit davon entfernt, schreiblustig zu machen, legt einem Schweigen auf […] Ich schicke Ihnen ein Buch über Hamlet, zu dessen deutscher Ausgabe ich ein Vorwort geschrieben habe, nachdem meine Tochter Anima die Übersetzung ins Deutsche gemacht hatte. Das ganze ist als literaturgeschichtliches Phänomen, ein Kuriosum, aber in der Sache noch viel mehr. Mir erscheint das große Drama Shakespares in einem neuen Licht, seitdem ich um seine zeitgeschichtliche Präsenz weiss. Ich sah neulich den ‚Kaufmann von Venedig‘ und stellte fest: wenn Porzia nicht die Königin Elisabeth ist, dann ist das ganze Stück – auch als ‚Märchen‘ unmöglich und einem Erwachsenen heute nicht mehr zuzumuten […]“ – V. (26. IV. 1969): „[…] An Ihren Besuch und unser damaliges Gespräch habe ich mich oft erinnert. Insbesonders ist mir der kritische Bericht über eine Tagung einer Evangelischen Akademie bedeutungsvoll geworden. Dass Sie Ihr Lebenswerk ausbauen und retten konnten, erfüllt mich mit aufrichtiger Genugtuung. Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang einer Äusserung des alten, blinden Eugen Dühring zum Fall Galilei: die eigentlichen Feinde und Verfolger seien gar nicht die Cardinäle sondern die Kollegen gewesen. Bei Thomas Hobbes war es in mancher Hinsicht ähnlich. Der angekündigten Arbeit über den Wissenschaftsbegriff der Politologen sehe ich mit besonderem Interesse entgegen. Hennis schickte mir Ende 1968 seine Antrittsvorlesung ‚Verfassung und Verfassungswirklichkeit‘ zu, in welcher ich als typisch deutsches Produkt behandelt werde (vorher, in der Weimarer und der Hitlerzeit galt ich bei denselben Leuten als typisch undeutsch. Ich erlaube mir, Ihnen eine Abschrift meiner Antwort auf diese Zusendung beizufügen […]“ – Schmitt ist der wohl umstrittenste deutsche Staatsrechtler des 20. Jahrhunderts Seine antiparlamentarischen Theorien erlebten in den sechziger Jahren eine europaweite Renaissance durch Extremisten von Rechts und Links. Die Faszination durch den Zwiespalt zwischen Opportunismus und intellektueller Brillanz, den Schmitt wie kein anderer verkörperte, sorgte für das Fortleben der um ihn geführten intensiven wissenschaftlichen Diskussion, wobei sich in den letzten Jahren ein zunehmendes Bemühen um eine differenziertere Sichtweise abzeichnet. – Beilage.