Beschreibung
An Caroline von Humboldt (geb. von Dacheröden; 1766-1829) in Berlin, die Gattin Wilhelm von Humboldts. Der Brief diskutiert Möglichkeiten, Wolzogens einzigen Sohn Adolf (1795-1825) mit der ältesten Humboldt-Tochter Caroline (1792-1837) zu verheiraten: „Dank für Deinen lieben langen Brief, beste Seele. Ich hoffe es möglich zu machen Dich in Burggörner zu besuchen, und freue mich sehr Deines wenigstens leidlichen Zustands nach dem schreklichen Winter, der Dir armes Kind, nach der lieblichen Italischen Luft doppelt fatal war. Schreib mir doch gleich von Dresden wie es in Ansehung des Bildes geht […] Adolf schrieb immer in demselben Sinn über Caroline, und sagt mir daß er einen sehr angenehmen Abend mit ihr bei [Humboldts?] zugebracht. Ich glaube daß sich die Kinder einig und herzlich nahe kommen würden bei umgekehrten freien Zusammensein. Im Grund haben sie eine Aehnlichkeit, beide haben durch das Uibermaß unsrer Liebe sich allen Eigenheiten ihrer Natur überlassen, aber diese Natur ist einig edel und wahr, und wenn sie dazu kommen sich ganz zu verstehen, so wird es gewiß ein sehr schönes Verhältnis. Ist es Dir recht liebste C., so veranlaße ich Adolf auch nach Burggörner zu kommen. Die äußre Lage machte mich bedenklich, denn daß Adolf in einer sehr engen Einrichtung zufrieden und glücklich sein würde, und also auch glücklich machen konnte, das laß ich mir nicht träumen. Ich weiß wie gutmüthig Ihr Beide gegen eure Kinder seid, aber da Eure eigne Lage sich in Ansehung der Finanzen sehr geändert hat, so weiß ich nicht was jetzt möglich ist ohne Euch selbst zu génieren. Adolfs Güter sind nach dem wichtigsten Anschlag über 50,000 rh. werth, und eine Schuld von 5000. rth. an seinen Vetter in Jena kann außerdem noch aus einem Holzschlag und dem Rückstand des Zehendes vom guten Schatz bezahlt werden. In den letzten Jahren des Mangels aber hat man von den Gütern nichts als Kostenverzeichnisse, und jetzt wegen der niedrigen Kornpreise großen Schaden. Uiber 1800. rth. […] kann Adolf seine revenuen in den nächsten Jahren nicht anschlagen und mit weniger als 4000. rth. Einkommen an einem andern Ort als Berlin, könnten wir nicht denken die Kinder angenehm zu etabliren. Ich sage dieses einzig für Dich und H[umboldt] denn man thut sich immer Schaden fremde Augen in seine Finanzen sehen zu lassen. Sage mir doch im engsten Vertrauen, was Du für Caroline bei einer Heirath thun kannst? Eine andre Lage kann man Adolf wohl machen, und er hat für H. so viel Vertrauen und Neigung daß er sich seiner Führung […] gern überlassen würde. Doch dieses führte ins Weite, und schenkt Caroline Adolf ihre Neigung, so wäre es beßer die Kinder bald zu verheirathen. Auch war sonst ein langer Brautstand ganz gegen Adolfs Maximen. Eine häusliche Sorgenlast nagt an der Schönheit des Lebens, ich weiß es aus früheren Zeiten da wir nur durch einen Zusammenfluß glücklicher Begebenheiten wohlhabend wurden. Deshalb fürchtete ich geliebte Wesen dieser auszusetzen mehr als alles. | Wegen des [Philipp Friedrich] Seidel kann ich Dir nichts tröstliches noch sagen. Das Schreiben an den Erbgroßherzog wird nichts helfen; Göthe will sich nicht darein mischen, ich muß es nur noch bei den Alten Herrn probieren. Im Ganzen ist eine Armuth hier daß man Bedenken trägt etwas […] zu veranlaßen […]“ – Goethes „ergebenster und intelligentester Diener“ (Wilpert) Philipp Friedrich Seidel zeigte ab 1799 psychische Störungen; sein Dienstherr ignorierte ihn aber. Im April 1820 zog Goethe jedoch bei einem Besuch in Jena Nachrichten über Seidel ein und berichtete am 21./22. April darüber in einem Brief an Kräuter. Seidel starb nach halbjährigem Aufenthalt am 19. November im Irreninstitut des Hofrats Stark in Jena. – Caroline von Wolzogen war eine der beiden „Geliebten Schwestern“ (so der Titel des Films von Dominik Graf, 2014) Lengefeld, die Schiller in Rudolstadt kennenlernte. Er schwankte mit seiner Liebe zwischen beiden, heiratete aber dann die Schwester Charlotte. „Was uns an Lebensspuren Carolines in künstlerischen Texten und Lebenszeugnissen überliefert ist, besitzt […] beträchtlichen Wert für eine unverstellte Sicht auf die klassische Kultur und ihre Geschichte.“ (Jochen Golz). – Kleine Randschäden. Gut erhalten.