Beschreibung
An Gottfried Weber (1779-1839) in Darmstadt über den von ihm angezettelten Streit um die Echtheit von Mozarts „Requiem“: „[…] Sie schrieben mir: Ich denke die Frage über die Ächtheit oder Unächtheit des Moz[art’schen] Req[iems] nochmals zur Sprache zu bringen; sage mir Deine jetzige Meynung über die Sache: Sie hatten aber eine mit Heftigkeit geführte Verwerfung des Werks, als eines unächten, die mithin wieder zur Heftigkeit in der Führung des Gegenbeweises reizen mußte, schon fertig, wo nicht schon drucken lassen; denn einige Wochen darauf war sie, und sogar auch das folgende Heft der Cäc[ilia], gedruckt schon hier. Indessen: wir haben beyde mehr und Besseres zu thun, als dergleichen umständlich zu discutiren; und darum lieber zur Sache. Sie erhalten beyliegend meinen Brief zurück; und wenn Sie ihn nun so, wie er jetzt ist, drucken lassen wollen, so widerstrebe ich nicht. Sie werden bemerken, daß ich nichts daran geändert habe, was die Sache selbst, wie ich sie sahe und sehe, änderte, sondern nur, was der lebenden Wittwe M[ozart]s oder dem todten Süßmayr – nicht an sich, sondern blos jetzt bey dem von beyden Seiten mit Hitze geführten Streite, einigermaßen, und, das ohne zur Entscheidung der Sache beyzutragen, zum Anstoß gereichen könnte. (Was die weggestrichene Stelle über Süßmayrs Charakter anlangt, so spräche sie überdies mehr gegen, als für Ihre Meynung; ist auch, und kann der Natur der Sache nach nicht seyn, als wieder eine Meinung.) Über eine einzige, doch auch nicht bedeutende Erinnerung (fast 30 Jahre alt!) bin ich jetzt zweifelhaft gemacht worden. Ich glaubte gewiß seyn zu dürfen, das Süßm[ayr] in jener Angelegenheit vor jenem gedruckten Briefe auch schon an die Breitkopf[ische] Handlung geschrieben habe – der Sache nach dasselbe, nur weniger bestimmt: dies aber soll nicht geschehen seyn; und darum setzte ich, statt, seinen Briefen, seinem Brief. – Abbé Stadler’n kenne ich als einen der rechtschaffensten und pünktlichsten Männer, die mir je vorgekommen sind. Nach seiner Auseinandersetzung hat die Wittwe M[ozart] höchstwahrscheinlich die eigentliche Handschrift ihres Gemals gar nicht mit in Leipzig gehabt, sondern nur die, von S[üßmayr] vervollständigte Copie; wo ich dann freylich jene auch nicht zu sehen bekommen konnte. Ich habe aber damals auch nicht eben genau darauf geforscht, da ich – wie die Sache noch gar nicht in Streit gezogen war – voraussetzte, diese Copie sey blos das in’s Reine geschriebene Original M[ozart]s selbst […] (Es versteht sich; ausgenommen die Sätze, vom Sanctus an.) […] Zwar hasse ich alles heftige Streiten, vollends öffentliches, und es müßte mir zuwider seyn, in ein solches, worüber es auch wäre, verflochten zu werden: aber, was ich in Factis sicher weiß oder in Kenntnissen gründlich zu verstehen glaube, das habe ich, in bedeutenden Dingen, und (mit Nathan zu sprechen) wenn’s nötig ist und nützt, von Jedermann, auch öffentlich, auszusprechen, mich nie gescheut und werde auch ferner nicht […]“ – Zum Requiem-Streit: Im Jahre 1825 veröffentlichte der Herausgeber der „Cäcilia – Zeitschrift für die musikalische Welt“, Jacob Gottfried Weber, in dieser seinen Aufsatz „Über die Echtheit des Mozartschen Requiem“, der erhebliche Kontroversen nach sich zog. Er brachte nicht nur wieder die Tatsache in Erinnerung, daß Mozart nicht der alleinige Autor des Requiem war und daß bislang der Öffentlichkeit keinerlei beweiskräftige Dokumente für eine Urheberschaft vorlagen; vielmehr zog er generell in Zweifel, daß die veröffentlichte Partitur überhaupt auf Mozart zurückgehe, und vermutete, daß Süßmayr den gesamten Notentext aus evtl. „Skizzen“ zusammengebastelt habe. Großen Ärger handelte er sich aber vor allem damit ein, daß er die Authentizitätsfrage mit ästhetischen Bewertungen verknüpfte. Webers Attacke erreichte ein recht großes Publikum und führte zu scharfen Reaktionen. Ludwig van Beethoven notierte in seinem Cäcilia-Exemplar „O du Erzesel“ und „O du doppelter Esel“ an den Rand des Artikels. Freilich war Weber mit seiner Kritik nicht allein. Es kam zu einer lebhaften Debatte über die Fragen der Echtheit und der ästhetischen Wertung, die sich in verschiedenen Zeitschriften niederschlug (u. a. Cäcilia, Allgemeine Musikalische Zeitung, Berliner Allgemeine Musikalische Zeitung). Für die Echtheitsfrage erlangte besonders die Antwort von Maximilian Stadler Bedeutung. Er verwies auf das oben beschriebene Redaktionstreffen vom Herbst 1800, das damit erstmals öffentlich bekannt gemacht wurde, und bezog sich dabei auf die Autografen Mozarts: „Ich habe diese Originalien vor kurzer Zeit zwey Mahl in Händen gehabt, und genau durchgesehen“ (Vertheidigung der Echtheit des Mozartschen Requiems), 1826, zit. nach Wolff 2001, S. 148-52). Immerhin hatte Webers Attacke zur Folge, daß die Autographen Mozarts in den nächsten Jahren ans Tageslicht kamen. Zunächst veranstaltete Johann Anton André 1827 eine erste „nach Mozart’s und Süßmayr’s Handschriften berichtigte Ausgabe des Requiems“, zwei Jahre später eine Sonderausgabe der Sequenz und des Offertoriums mit Mozarts eigenem Notentext. 1829 verkaufte Stadler das Autograph der Sequenz der Hofbibliothek zu Wien, 1833 erhielt dieselbe Bibliothek von Eybler die Autographen des Lacrymosa-Fragments und des Offertoriums. Schließlich erwarb die Bibliothek 1838 auch noch die komplette „Ablieferungspartitur“ aus dem Nachlass von Walsegg. – Rochlitz gab 1798-1818 die von ihm begründete „Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung“ heraus, förderte als Musikschriftsteller das Leipziger Gewandhaus als musikalisches Zentrum und setzte sich erfolgreich für die Berufung Felix Mendelssohn Bartholdys zum Gewandhauskapellmeister ein. – Aus der Sammlung Robert Ammann.