Beschreibung
Wichtiger Brief an Martin Beheim-Schwarzbach (1900-1985) in London: „[…] ich war sehr gerührt und angetan von Ihrem außerordentlich schönen Brief, dass ich Ihnen gleich geschrieben hätte, wenn nicht ein ausgedehnter und gesellschaftlich anspruchsvoller week end trip nach Washington [am 26.-30. April] mich einige Tage davon abgehalten hätte. Die Warmherzigkeit und Spontaneität, mit der Sie sich nach dieser Lektüre an mich wandten, ist wirklich sehr liebenswürdig, und Ihr Brief wird ein Glanzstück meiner kleinen Kollektion von Dokumenten über ‚Lotte in Weimar‘ bleiben. Ich habe nämlich nie aus guten und teilweise kläglichen Gründen, mit so großer Sorgfalt alles Schriftliche und Gedruckte gesammelt, was mir über ein Buch zu Handen kam, wie diesmal. Es ist viel erfreuliches darunter, vorzüglich aus der Schweiz, zum Zeichen, dass dort die deutsche Kulturtradition noch am meisten lebendig ist. In einem Luzerner Blatt schrieb jemand [Kuno Müller, vgl. Tb 29. II. 1940 und Anm.]: ‚Seit den Indianergeschichten meiner Knabenzeit habe ich kein Buch mehr so verschlungen wie dieses.‘ Das hat mir großen Spaß gemacht – als Aeußerung gerade über dieses Buch und weil es auf ein Element des Aufregenden hinweist, das der Konzeption angehörte und sich gegen alle Langweiligkeiten der Ausführung durchgesetzt zu haben scheint. Es ist das Aufregende, das in der Realisierung des Mythos liegt, und worin ich mich wohl drei Joseph-Bände lang hatte üben müssen, bevor ich mich an den Goethe-Mythos wagen konnte. Auch bin ich mir klar darüber, dass dies Moment der Aufregung es allein ist, was diesen Un-Roman zu einem Roman macht; und nicht weniger klar, dass man dem Buch heute manche Genugtuung zugute rechnet, die zeitlich begründet ist, – was die Beurteilung seines absoluten Wertes emotionell erscheinen mag. Übrigens schrieb mir Konrad Heiden [1901-1966], dass ein Angriff in Versen, sogar witzig, irgendwo erschienen sei. Wo und wer mag das sein? Sollte merry old Alfred Kerr [1867-1948] einen Johannistrieb gehabt haben? [vgl. Tb. 17. IV. 1940 und Anm.; Verfasser der Persiflage ‚Tommy in Weimar‘ war Emil Ludwig] – Amerika geht den Weg der europäischen Neutralen, d. h. den Weg der Kurzsicht und des ruinösen Egoismus. Wenigstens ist es ihn bisher gegangen. Die skandinavische Invasion [durch Deutschland ab 9. April 1940] hat atmosphärisch manches verändert, und der Isolationismus scheint an Boden zu verlieren. Die große Gefahr ist, dass wir zu spät kommen. Möge bald der Band Erzählungen [‚Der magische Kreis‘, 1940] zu mir gelangen, den Bermann[-Fischer] von Ihnen anzeigt! – Der arme Bermann. Wie lange wir er sich in Schweden noch halten können? Wenigstens hat er ein englisches Visum […]“. – Reg. 40/241. Tb. 3. V. 1940. – Stellenw. minimal gebräunt. Knickfalte.