Kirchhoff, Gustav Robert, Physiker (1824-1887).

2 eigenhändige Briefe mit Unterschrift Heidelberg, 1. und 11. XII. 1870, 8°. Zus. 4 Seiten. Doppelblätter.

Nicht vorrätig

Beschreibung

An den Herausgeber von „Crelle’s Journal für die reine und angewandte Mathematik“, den Mathematiker Carl Wilhelm Borchardt (1817-1880) in Berlin. Kirchhoff äußert sich ausführlich und über einen ihm von Borchardt zur Prüfung zugesandten Aufsatz des 26jährigen Mathematikers und Physikers Ludwig Boltzmann (1844-1906), in dem Kirchhoff ein Irrtum nachgewiesen wird: „[…] Hrn. Boltzmann halte ich für einen recht talentvollen, aber etwas formlosen jungen Mann und ich glaube, daß die Arbeit, die er Ihnen eingesandt hat, dieses Urtheil in seinen beiden Theilen bestätigt. Es scheint mir dieselbe von Interesse zu sein, aber an einigen Stellen hätte er wohl eine etwas rücksichtsvollere Form wählen und es unterlassen können, das Versehn, das ich begangen habe, und seinen Antheil an der Entdeckung desselben bedeutsamer darzustellen als sie es sind. Hr. B. war einige Monate des letzten Sommers hier, hörte theilweise meine Vorlesungen und besuchte mich mehrfach, um über wissenschaftliche Gegenstände mit mir zu sprechen. Einmal erwähnte er zu mir einen scheinbaren Widerspruch zwischen einem Resultate, zu dem Helmholtz in seiner hydrodynamischen Arbeit über Wirbellinien gekommen ist und dem von mir ausgesprochenen Satze bezüglich der festen Ringe. Dieser scheinbare Widerspruch konnte dem ersten Anblicke nach sehr verschiedene Gründe haben; ich nannte ihm mehrere, die erwogen werden müßten; auf den wahren Grund, der darin lag, daß mein Satz nicht allgemein richtig ist, kamen weder er noch ich. Die Sache interessierte mich und bei dem Nachdenken darüber fand ich meinen Irrthum, so wie die Bedingung, unter der das Hamiltonsche Princip, auf welches ich in der Unterhaltung hingewiesen hatte, in der Hydrodynamik anwendbar ist. Bei einem späteren Besuche von Boltzmann theilte ich diesem beides mit. Ich sah dabei, daß dieser in Betreff des letzteren Punktes auf einem anderen Wege, als ich, bereits zu demselben Resultate gekommen war. Ich glaube, daß es diesem Sachverhalte ganz entsprechen, die Arbeit des Hrn. Boltzmann ihr polemisches Ansehn verlieren und er doch Nichts von seinen Rechten vergeben würde, wenn er den Anfang in der Weise etwa, wie ich es in dem beiliegenden Blatte ausgeführt habe, änderte und die Anmerkung auf Bogen 4 entweder auf ihren ersten Satz beschränkte oder auch ganz fortließe […]“ – „[…] Obwohl ich die Bedenken nicht theilen kann, die Hr. Boltzmann gegen die von mir vorgeschlagene Fassung der Fußnote […] geäußert hat, so erkläre ich mich, als friedliebender Mensch, doch einverstanden mit der von ihm beliebten Fassung derselben […]“