Kandinsky, Wassily, Maler und Graphiker (1866-1944).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Weimar, 13. XII. 1922, Fol. 2 Seiten.

Nicht vorrätig

Beschreibung

Wichtiger, inhaltsreicher Brief, an einen Mitarbeiter von Peter Behrens (1868-1940), geschrieben kurz nach Kandinskys Rückkehr aus Russland nach Weimar. – Wem konnte man noch trauen angesichts des „Durcheinanders“ und „Sichindenhaarenliegens“ der russischen Intellektuellen im unmittelbaren Vorfeld der Gründung der Sowjetunion durch die Bolschewisten am 30. Dezember 1922? „[…] Es ist eine schwierige Frage, die Sie mir gestellt haben. Ich möchte sehr gerne Herrn Prof. Peter Behrens mit erschöpfender Auskunft helfen – wie soll ich es aber bei dem herrschenden Durcheinander und SichindenHaarenliegen in Moskau machen! Fast jede Auskunft, die in Moskau zu erhalten ist, ist einseitig und es ist schwer an einen objektiven Menschen zu kommen. Zu seltenen Ausnahmen kann man die 3 [überschrieben:] 4 Namen rechnen, die ich hier nennen will: 1. Architekt I. Scholtowski – ein ernster, sehr gebildeter Mensch, durch dessen Hände die sämtlichen jungen Architekten gegangen sind. 2. Kunsttheoretiker A. Bakuschinsky, Direktor einiger der Kunstmuseen in Moskau, ein sehr guter Freund von mir. 3. Prof. an der Mosk. Universität (Kunsttheorie) A. Gabritschewsky, feiner philosophischer Kopf und geistig sehr hochstehender Mensch, mit dem ich auch sehr befreundet bin. 4. Architekturtheoretiker E. Schor, der sich außer allem mit Verwaltungsfragen beschäftigt hat und sich in der Kunstleitung auskennt. Ist aber vielleicht schon auf dem Weg nach Berlin. Auch ein alter Freund von mir. Diese Herren würden über alle Kunstfragen gute Auskünfte geben können. […]“. – Nachdem die Verhältnisse in Moskau zunehmend unerträglich geworden waren, reiste das Ehepaar Kandinsky 1921 über Riga nach Berlin. Er konnte nur 12 seiner Bilder mitnehmen. Im Juni 1922 ging Kandinsky einem Ruf von Gropius folgend ans Weimarer Bauhaus. Kandinsky und der Maler, Architekt und Designer Peter Behrens kannten sich bereits aus den Zeiten der Phalanx-Malerschule in München. Als die Phalanx 1903 geschlossen wurde, bot Behrens Kandinsky die Leitung der Klasse für Dekorative Malerei an der Kunstgewerbeschule Düsseldorf an. In vorliegendem Brief, dem eine Anfrage von Behrens vorausging, kritisiert Kandinsky das politische Klima in Moskau und empfiehlt als Vertrauenspersonen einzig enge Freunde und Weggefährten: den Architekten Iwan Wladislawowitsch Scholtowski (1867-1959), Vertreter, der WChUTEMAS (später WChUTEIN); den Maler und Kunstwissenschaftler A. W. Bakuschinski (1883-1939), der Großen Terror in Moskau zum Opfer fiel; den Künstler und Biologen Eugène Gabritschevsky (1893-1979), einem Mitarbeiter von Louis Pasteur und Robert Koch, sowie den Architekturtheoretiker E. Schor. – Vgl. Hajo Düchting, Wassily Kandinsky, 1866-1944. A Revolution in Painting, Köln 1991, S. 94.