Beschreibung
Hofmannsthals früher Entwurf des Liebes-Duetts von Sophie und Octavian aus dem zweiten Akt des „Rosenkavaliers“, nach der Überreichung der Silbernen Rose: die beiden Liebenden singen hier je zwölf sich gegenüberstehende Zeilen, die einander zugeordnet sind: „Sophie. Dahin muss ich zurück / Dahin und müsst ich völlig sterben auf dem Weg …“. – „Octavian. Ich war ein Bub / Wars gestern oder wars vor einer Ewigkeit …“. Es handelt sich, wie die Überschrift anzeigt, um die von Hofmannstahl in seinem Brief vom 26. Juni gelieferte, von Richard Strauss angeforderte „Ergänzung zu Seite 6“ des Librettos, die dann in die endgültige Fassung der Oper gekürzt und auch sonst verändert aufgenommen worden ist. In seiner Abhandlung „Die Entstehung des Rosenkavalier“, zuerst 1951 in der Zeitschrift „Trivium“ IX, Heft 2 erschienen, schreibt Willi Schuh: „Nach der Überreichung der silbernen Rose und den von beiden Partnern – Sophie und Octavian – vor sich hingesungenen Worten ‚Wo war ich schon einmal und war so selig‘ sollte ein Duettchen eingeschoben werden. Hofmannsthal sandte die Textergänzung auf einem eigenen Blatt nach. Sophie und Octavian sind mit je zwölf säuberlich numerierten, mit einander korrespondierenden, das heißt zum gleichzeitigen Singen bestimmten Verszeilen bedacht, – die genau symmetrische Anlage soll es dem Musiker bequem machen. Aber Strauss konnte mit einem so schematisch aufgebauten Duett-Text in dieser dramatischen Situation nichts anfangen, was er brauchte, war ein kurzes seliges Aufblühen, kein liedhaft schlichter Parallelismus. Und so hat er – rasch entschlossen – von den zwölf Octavian zugedachten Versen nur ein paar – genau: sieben -, von den für Sophie bestimmten nur sechs (und teilweise verkürzt) für sein gedrängtes Duettchen verwendet. Die ursprünglichen zwölf Verse des Octavian sind in die Buchausgabe des Rosenkavaliers eingegangen, während die zwölf Parallelverse der Sophie, denen ja eine rein musikalische Funktion zugedacht war, hier logischerweise ganz wegfielen.“ Auf der Rückseite des Blattes hat Strauss – ebenfalls aus dem 2. Akt des „Rosenkavaliers“ – das Streitgespräch zwischen dem „Baron“ (Ochs von Lerchenau) einerseits sowie „Sophie“ und „Oct[avian]“ andererseits skizziert (33 Zeilen). Der Text beginnt nach dem „Ecco“ von Valzacchi und Annina: „Baron: Eh bien Mamsell, was hat sie uns zu sagen?“ und endet kurz vor dem Duell zwischen Lerchenau und Octavian: „S[ophie]: Um keinen Preis geh ich an Seiner Hand hinein!“ Hinter der ersten Zeile hat Strauss zur Komposition dieser Szene angemerkt: „3/4“. – Der vorliegende Text entspricht dem Vorschlag, den Strauss Hofmannsthal in seinem Brief vom 9. Juli 1909 für die Umgestaltung des zweiten Aktes gemacht hat: „… auf das Geschrei der Italiener kommt der Baron selbst herbei, die Italiener erzählen ihm alles. Der Baron, anfangs mehr belustigt als wütend, zu Octavian: na, mein Bürschchen, du hast ja rasch von mir gelernt. Der Disput zwischen Octavian und dem Baron wird immer heftiger; Duell, worin Baron von Octavian am Arm verwundet wird …“. – Kostbares Zeugnis der Zusammenarbeit zwischen Strauss und Hofmannsthal bei einer der erfolgreichsten Opern des 20. Jahrhunderts. – Aus dem Besitz des Strauss-Biographen Willy Schuh.