Beschreibung
Am rechten unteren Bildrand signiert und datiert „Müller-Hilsdorf 1928“; rückseitig mit Bezeichnung „V/4“ sowie Atelierstempel. Umschlag hinten innen mit Atelieraufkleber und Bezeichnung „No V“. – Hilsdorf und George stammten beide aus Bingen und waren Schulkameraden. In München traf man sich wieder. Hilsdorf, der dort das Fotoatelier von Friedrich Müller übernommen hatte und es sehr erfolgreich als bayrischer Hofphotograph führte, schuf „termingerecht zum 60. Geburtstag Georges die bis heute unsere visuelle Vorstellung prägenden Altersbildnisse“ (Kat. München S. 145). „Seine Porträts des späten Stefan George etwa zählen zum Kernbestand der George-Ikonographie und fehlen in keinem Werk, das mit einem Bildnis des mit Hilsdorf befreundeten Dichters aufmacht. Doch als Autor der strengen, von George im Sinne wohlkalkulierter Selbstinszenierung autorisierten Studien genannt wurde in Hilsdorf eher ausnahmsweise.“ (Ebda. S. 14). Es „tauchen seit 2000 immer häufiger auch mit Abzüge von Theodor Hilsdorf auf Versteigerungen auf – in der Regel Varianten aus der Porträtsitzung mit Stefan George.“ (Ebenda S. 16 und Anm. S. 264). Sie sind allerdings selten, da der Archivbestand 1945 den Kriegsfolgen zum Opfer fiel. „Am Beispiel Georges lässt sich zeigen, wie sehr das Autorenporträt dazu beitragen kann, Künstler oder Schriftsteller auf ihren Typus, ihr Image festzulegen und es zu verteidigen […] Schon zu Georges Lebzeiten waren Fotografien und Büsten des ‚Meisters‘ berühmt und verbreitet; sie haben entscheidend zu einer verbindlichen Ikonographie Georges beigetragen. Diese Bilder vergisst man, wenn man sie einmal gesehen hat, auch bei der Lektüre der Gedichte nicht. Sie zeigen George […] in einem hochgeschlossenen, strengen schwarzen Rock zwischen priesterlicher und soldatischer Kleidung, die in der Boheme-Kultur der Jahrhundertwende freilich nicht unüblich war. Sie zeigen eine Physiognomie, die von Beginn an konzentriert und angespannt ist: die Haare nach hinten gekämmt, die hohe, tief gefürchtet Denkerstirn frei liegend. Sie zeigen George oft als Seher […] den konzentrierten Blick auf ein unbestimmtes Ziel gerichtet. Sie zeigen ihn schließlich in mönchisch-asketischer Einfachheit und Monumentalität […] Die George-Fotografien zeigen den ‚Meister‘ in seinem Anspruch auf volle Gegenwart und auf allgemeine, zeitlose Gültigkeit zugleich; sie zeigen ihn in seiner Aura […] George hat die fotografische Leistung der Brüder Hilsdorf sehr wohl zu würdigen gewusst. Welche Bedeutung sie für die George-Rezeption hat, sieht man allein daran, dass dies Hilsdorf-Porträts später vielen Grafiken und Gemälden Georges zum Vorbild dienten.“ (Braungart, Wolfgang, „Dies gewaltige Gesicht“. Die Brüder Hilsdorf und Stefan George. In: Münchner Kreise. Der Fotograf Theodor Hilsdorf. Hrsg. von H.-M. Koetzle und U. Pohlmann. München 2007, S. 85-90). – Vgl. Boehringer, Robert, Mein Bild von Stefan George. 2. Aufl. Düsseldorf 1968. S. 177. – Im Kat. München nicht abgebildet. – Im weißen Karttonrand leicht fleckig. Ränder gering ausgesilbert.