Beschreibung
Großer und wichtiger politischer Brief über die diplomatischen Verhältnisse zwischen Rußland, Frankreich und Österreich an einen französischen Freund in St. Petersburg. Gentz glaubt, daß Rußland unter keinen Umständen Frankreich angreifen würde: „[…] Je crois […] que la Russie na jamais et dans aucun tems eu lidée dattaquer effectivement la France, ou de produire, par une intervention armée quelconque, un changement réel et décisif dans létat déplorable de la politique continentale […]“ Bei dieser traurigen Lage der Dinge befürchtet er Intrigen Frankreichs gegen Rußland und die in St. Peterburg herrschenden Kräfte und daß Europa zwischen den Flanken der beiden Großmächte zermalmt wird: „[…] que si les autres puissances ne contre-mènent près sans cesse les menées de ce parti, nous risquons de voir une seconde fois ces deux puissances colossales marcher sur une ligne commune et lEurope menacée de périr au milieu de leurs embrassades […]“ Gentz fragt seinen Freund nach dessen Eindrücken von der russischen Politik und nach dem Aufenthalt des russischen Dilomaten Carlo Andrea Conte Pozzo di Borgo (1764-1842) in St. Petersburg. Sodann geht er auf den Wiener Hof ein: die österreichische Monarchie gleiche einem fauligen Sumpf, dessen schreckliche Stille nur von Zeit zu Zeit vom traurigen Schrei eines todverkündenden Vogels unterbrochen würde. Die eigene Feigheit steige proportional zum Übermut der Franzosen, die miserable Staatsverwaltung mit Ludwig von Cobentzl (1753-1809) an der Spitze sei völlig unerschütterlich, der Kaiser Franz I. sei über seine Lange verblendet und der Feldherr Erzherzog Karl von Österreich-Teschen (1771-1847) friedlicher, als je: „[…] Cette monarchie […] ressemble à un marais stagnant et putride, autour duquel règne un silence effrayant, interrompu de tems-en-tems par le cri de quelque oiseau lugubre, qui annonce les orages et la mort. Notre lâcheté et notre bassesse augmente dans la même proportion avec Linsolence des François. Les hommes foibles, que le mauvais génie de cet état a conduit au timon des affaires, Cobentzl à la tête, sont inébranlables; lEmpereur saveugle de plus en plus sur sa position; lArchiduc Charles est plus pacifique que jamais […]“ Man solle den Gerüchten von Allianzen, Verhandlungen, Truppenbewegungen oder Aktionen jeglicher Art keinen Glauben schenken, solange sich das Ministerium nicht verändere. Sodann geht Gentz auf den Besuch des berühmten Mr. Brougham ein, dessen Verhalten in Wien ihm viele Feinde eingebracht habe, was Gentz hingegen als gutes Vorzeichen für die Zukunft deute: „[…] sil ne se méprend pas sur sa vocation, si p. e. il nabandonne pas léconomie politique dans laquelle il fera […] des pas de géans, pour intriguailler avec les tristes et sots défenseurs de labolition de la traite […]“ Bittet, seinen Förderer Graf Stadion zu grüßen. Nachdem seine Stellung in Berlin unhaltbar geworden war suchte Gentz mit Hilfe von Stadion eine Staatsanstellung in Wien, die er dann 1802 antreten konnte. Er wurde erster Sekretär beim Wiener Kongreß und einer der Redakteure des Friedensvertrages von Paris 1815. – Kleine unbedeutende Randschäden. – Sehr inhaltsreicher politischer Brief. – Wohl unveröffentlicht. – Volltranskription liegt bei.