Finsterlin, Hermann, Architekturvisionär, Designer, Maler, Dichter, Essayist und Komponist (1887-1973).

„Kaleidoskop der Liebe“ (kalligraphischer Deckeltitel). 12 signierte Aquarelle über Tuschzeichnung und Bleistift. Ohne Ort, 1920 (ein Aquarell 1918), Verschiedene Quartformate, aufgelegt auf einheitliche Kartonblätter (diese 39 x 32 cm). Lose in Halbleinwand-Mappe mit eigenh. Titel und Namenszug in Deckweiß (Marmorpapierbezug vorn etw. verblaßt, Schließbänder defekt).

Nicht vorrätig

Beschreibung

Finsterlins erotische Zeichnungen sind kongeniale Seitenstücke zu seinen berühmten Architekturfantasien. Erotische Kunst und utopische Architektur sind zwei Pole in seinem Gesamtwerk. Die erotischen Blätter blieben lange verborgen. Erst im August 1967 veranstaltete die Stuttgarter Buchhandlung Wendelin Niedlich aus Anlaß von Finsterlins 80. Geburtstag eine „Ein-Abend-Ausstellung“ erotischer Zeichnungen und Phantasien unter dem Titel „Verwandlungen des Zeus“. Karl Diemer nannte die Zeichnungen damals in den „Stuttgarter Nachrichten“ eine „Intimproduktion“ und sprach vom „erotischen Mythenschauspiel des neckischen Gottes, der sich im Zauberwald schlank behenden Weledamädchen annähert in üppig ornamentaler Eurythmie.“ Laut Günther Wirth handele es sich um „überaus heikle Stücke“. – Finsterlin war ein Wanderer zwischen den ästhetischen Welten und künstlerischen Stilen, der sich als seiner Zeit weit voraus erwies. Nach der Begründung einer freien Künstlergruppe in Schwabing wandte er sich um 1918, wohl unter dem Einfluss der Anthroposophie, mythologischen und märchenhaften Themen zu. 1919 forderte ihn Walter Gropius auf, in einer Ausstellung die Entwürfe seiner „Traumhäuser“ vorzustellen, im selben Jahr wurde er Mitglied der Gläsernen Kette. 1921 entwarf er das „Stilspiel“ für Architekten und einen „Baukasten für Zukunfts-Stil“, bevor er 1926 nach Stuttgart zog, wo die Kinder die dortige Waldorfschule besuchten. 1930 hielt er Vorträge am Bauhaus in Dessau. Finsterlins Plan, das Olympia-Gelände in München 1972 zu gestalten, wurde nicht verwirklicht. – Finsterlins erotische Zeichnungen haben sich teilweise in mehreren Fassungen erhalten. Wir verweisen bei den Titeln der Aquarelle auf die Nummern des unten genannten Katalogbuchs: Susanne (vgl. Nr. 180), Pygmalion (vgl. Nr. 17), Judith (vgl. Nr. 189), Die perverse Stechmücke (vgl. Nr. 165), Elefantiasis (vgl. Nr. 193), Blume des Ostens (vgl. Nr. 173), Das Schaukelpferdchen, Der Froschkönig, Der Frauenarzt, Lesbos, Der goldene Schafbock, Perversitäten (vgl. Nr. 175). Vgl. Reinhard Döhl, Hermann Finsterlin. Eine Annäherung, Stuttgart 1988. – Teilweise mit rückseitigen Montagespuren. – Sehr selten und kostbar. – Provenienz: Sammlung des Essener Architekten Hans Ulrich Kölsch (1927-2019).