Beschreibung
Wichtiger und langer Brief an den Maler, Zeichner und Freund aus der Münchner Sezession Hermann Schlittgen (1859-1930): „[…] Sonst ist nichts Neues; Trübner wird Dir die [Münchner] N[euesten] N[achrichten] mit der Berichtigung geschickt haben wir erwarten auf bald Eckmann, am meisten von uns hat wohl Trübner gearbeitet; er hat sich ordentlich aufgeopfert. Anbei schicke ich Dir den Brief des Langhammer, denn Deine Bemerkung auf der Postkarte hatte mich wirklich aufgeregt und ich stellte ihn brieflich zur Rede. Du siehst was aus einem solchen Dialog, in dem eigentlich gar nichts gesagt ist mit einiger Geschicklichkeit und Bosheit gemacht werden kann; denn seine Bemerkung ‚Sie stehen auf dem Standpunkt Heine, ohne Ehre kann man auch durch die Welt kommen‘, so ist das noch sehr fraglich ob das dessen Standpunkt ist; jedenfalls würde er sich eine derartige Zumuthung sehr verbieten; aber diese Genossenschaft beliebt es nun einmal, die moralische Censur unfehlbar ausführen zu wollen. Was kann man da anders sagen als: Das ist ja ganz Wurscht, namentlich um 1 Uhr Nachts, wenn man schon genug geredet und getrunken hat. Wenn sich Langhammer nun auch beklagt, daß Du mir nicht den Wortlaut direkt geschrieben hast, so kenne ich die Welt doch genug, um zu wissen, daß er durch Herausreißen von Sätzen aus einer Unterhaltung Äußerungen von mir zur ungünstigen Beleuchtung meines Charakters verwenden wollte und das nennt man gerichtlich Verläumdung – gesellschaftlich Klatsch. Ich werde ihm das auch nochmals brieflich mittheilen, aber in freundlicher Art. Ich traf ihn übrigens vor dem Empfang des Briefes auf der Straße und bin längere Zeit mit ihm spazieren gegangen, wo wir Beide natürlich Recht haben wollten und Keiner den Andern überzeugen kann, weil die ganze Geschichte überhaupt nicht der Rede werth ist. Schicke mir den Brief von Langhammer gelegentlich zurück. Wehle habe ich noch nicht gesprochen, Atelier weiß ich nicht, wenn sich durch Gelegenheit etwas bietet, werde ich dran denken. Ich habe jetzt hier im Atelier gearbeitet und zwar ein Bild die ‚Gefangennahme Simsons‘: Nacht, Schlafzimmer, Delila, Soldaten und Kerzenlicht und Laterne, kleines Format und Rembrandtmanier, da kannst Du Dir einen Begriff machen wie der Dreck aussehen muß [WVZ 110; Verbleib unbekannt]. Übrigens ist eine Zeichnung von Dir in den Fliegenden, die wirklich famos ist. Nach Tirol kann ich doch nicht wegen des Geldbeutels vielleicht gehe ich auf einige Tage nach Berlin, vielleicht daß Elias mir was abnehmen kann oder durch seine Verbindung. Leistikow schreibt mir, daß er durch ihn ein Bild für 500 M. verkauft hat […]“ – Corinth ging 1891 nach München, trat der Münchner Sezession bei, wurde aber bald als Mitbegründer der opponierenden Freien Künstlervereinigung ausgeschlossen. Der Brief erwähnt seine Münchner und Berliner Freunde Thomas Theodor Heine, Otto Eckmann (der ihn 1891 zur Graphik anregte), Wilhelm Trübner und Walter Leistikow. – Druck in „Lovis Corinth. Eine Dokumentation“ (Tübingen 1979). – Kleine Randeinrisse. – Sehr selten so früh.