Bartók, Béla, Komponist (1881-1945).

Eigenhändiger Brief mit Unterschrift Budapest, 10. V. 1908, 4 Seiten. Doppelblatt. Gelocht.

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Beschreibung

Deutsch an den Geiger Henri Marteau: „[…] Ich weiss nicht, ob Sie auch die Partitur meines Violinkonzertes [zu] haben wünschen, dessen Klavierauszug ich jetzt Ihnen zusenden will, und befrage Sie deshalb vorher. Auch hätte ich noch eine andere Frage resp. Bitte. Viele Gründe, unter anderem, dass man hier seit 4-5 Jahren von mir nichts aufgeführt hat, bewegen mich im Herbste ein Kompositionskonzert mit Orchester zu arrangiren. Ich müsste das Programm derart zusammen stellen, dass ich mich mit einem kleineren Orchester und mit wenigen Proben begnügen könne. Also müsste ich ausser einigen Solonummern und einer Klavier-Orchester-Rhapsodie das Violinkoncert in das Programm aufnehmen (mit Herrn [Jenö] Hubay als Solisten). Doch könnte ich dies nur in jenem Fall tun, wenn Sie nichts dagegen haben, wenn Sie Ihre Einwilligung dazu geben. Ich hätte eine ungemein grössere Freude, könnte ich das Werk unter Ihrer Hand und von einem guten deutschen Orchester begleitet zum allererstenmal hören. Doch habe ich hier unter meinen Kompositionen keine Wahl: meine sonstigen Orchesterwerke sind zu schwer und beanspruchen ein grosses Orchester. Da ich Ihnen aber so grossen Dank schulde dafür, dass Sie sich meines Violinkoncertes, vor welchem jeder andere Künstler zurückgeschreckt wäre, annahmen, und dadurch mich aus einer beinahe trostlosen Lage gerettet haben, so muss ich Sie zuerst um Ihre Meinung fragen. – Ja ich müsste sogar die ganze Idee dieses Concertes fallen lassen, falls ich denken müsste, dass Ihnen diese Aufführung wenn auch im noch so geringem Mass unangenehm wäre. Ich bitte Sie also sehr um Antwort. Sagen Sie nein, dann lasse ich diese Pläne sehr gerne fallen. Schliesslich: vielen Nutzen bringt mir ja dieses Unternehmen sowie so nicht, höchstens vielen Ärger. – Eine zweite Aufführung könnte nur den einen Nutzen aus dieser ersten ziehn, dass man bei der zweiten schon fehlerfreies Stimmenmaterial zur Verfügung hätte […]“ – „Der 27jährige Béla Bartók fühlte sich zu jener Zeit menschlich wie künstlerisch an einem Tiefpunkt seines Lebens. Im Februar 1908 hatte seine Freundin, die bekannte Nachwuchsgeigerin Steffi Geyer, brieflich ihre Beziehung zu ihm abgebrochen. Bartók war zutiefst getroffen, schickte ihr aber mit seiner Widmung die Partitur des Violinkonzerts. Steffi Geyer war dann lange Jahre Konzertmeisterin des heute legendären Basler Kammerorchesters. Kurz vor ihrem Tod verkaufte sie die Partitur des Violinkonzerts an den Leiter des Orchesters, Paul Sacher. Die Tatsache, dass das Werk erst nach Bartóks Tod, im Jahr 1958, in Basel uraufgeführt wurde, hat in der Bartók-Literatur zu romantischen Legenden Anlass gegeben. Nach enttäuschter Liebe, heißt es, wollte Bartók das Werk nicht mehr aufgeführt wissen; wie seine Liebe, so sollte auch sein Stück untergehen.“ (Weiß, Marteau, S. 88). Unser Brief an Marteau beweist das Gegenteil. Er zeigt, dass Marteau das Violinkonzert zur Uraufführung genommen hatte und Bartók sich keinesfalls die Chance entgehen lassen wollte, durch den prominenten Geiger gefördert zu werden. Dennoch kam aus mancherlei Gründen keine Aufführung zustande. – Kommentierter Abdruck bei Weiß, Marteau, S. 88ff.