Beschreibung
Gefühlsseliger Liebesbrief in deutscher Sprache an seine Braut Sophie von Haller in Bern, eine Enkelin des Schweizer Arztes und Dichters Albrecht von Haller; geschrieben in Frankreich, das Baggesen als Anhänger der Revolution auf seiner Europareise unbedingt besuchen wollte. Seiner „lieben, süßen, himmlischen Sophie“ breitet er seine melancholisch-sehnsuchtsvollen Gedanken aus: „[…] O! Daß ich Ihnen meine ganze Seele schicken könnte, daß ich mein Herz, statt allen diesen trockenen, kleinen, schwarzen Buchstaben in den Convolut einwickeln könnte! […] Nein! Ich kann es in gewissen Augenblicken nicht aushalten, so immer weiter und weiter weg von meinem Bessern Selbst zu gehen! Es ist mir als wenn etwas mit unwiderstehlicher Kraft mich zurückzöge; und mein Herz blutet bey jedem Schritt den ich weiter vorwärts mache. O! wir Menschen sind keine Halb-Götter! laßt uns nicht damit prahlen! Laßt uns uns nicht täuschen! Wir sind Kind[e]r; wenn wir am besten, am schönsten, am herrlichsten sind, nur Kinder! Unsere meist schimmernde Helden-Glorie ist Ergebung; aber auch das Kind ergibt sich, wenn es genug geweint hat, und wenn es erfährt, daß die Thränen nichts ändern. Aber getrost! Gott hat uns so gemacht; Er will uns so! […] Ich will es nicht länger verbergen – ich sehne mich schon zurück nach etwas in Bern, was mir mehr gefiel, mir mehr Freude machte, mich inniger entzückte als alle Felder, und Flüsse, und Ausssichten, und Städte, und Sonnen Aufgang, und Sonnen-Untergang, und Französischlernen, und Nachdenken, und Träumen […] Nichts kann mir das ersezen was ich verlohren habe; nichts auf der Erde, nichts im Himmel; denn ich habe nicht Sie, sondern ich habe die Hälfte meiner Seele verlohren […] Denn mein Verstand ist zwar hier aber mein Herz ist in Bern und wird da bleiben so lange Sie da sind […] O! liebste, liebe, inniggeliebte Sophie! ich will meinen Verlust geduldig tragen – ich will mich mit lächelnder Wehmut sehnen […]“ – Baggesen, der dänisch-deutsche Schriftsteller und Philosoph, trug bei seinen Zeitgenossen den Beinamen eines „dänischen Wieland“, er war mit J. H. Voß und anderen Dichtern der Klassik befreundet sowie Mitglied des Illuminatenordens. Baggesen ehelichte seine Sophie noch im selben Jahr. – Sehr selten.