Beschreibung
Sehr gut erhaltenes Stammbuch, das größtenteils mit (29 von 37) Beiträgen aus Rothenburg o. T. besetzt ist. Der Stammbuchhalter war ein Neffe des Rektors am Reichsstädtischen Gymnasium in Rothenburg, Johann Ludwig Friedrich Bezold. Daher haben sich 13 Familienmitglieder, Onkel, Tanten, Vettern und Basen aus der Familie Bezold eingetragen, auch aus den Familienzweigen in Wildentierbach und Öhringen. Vier Einträge stammen aus der Familie Albrecht, ein Mitglied schuf das hübsch illustrierte Titelblatt (Tal mit Freundschaftstempeln). Es macht den Anschein, als sei das Album beim Abschied des Studenten aus Rothenburg anlässlich des Studienbeginns begonnen, dann aber in im Studienort Jena nicht konsequent fortgeführt worden. – Die Kupfer zeigen einen Freundschaftsaltar und eine Rötelansicht „chez Haid“, die montierten Aquarelle ein Liebespaar („Une jolie situation“) und eine Ansicht „Ruinen der Lobedaburg bei Jena“. – Die herausragende Darstellung ist die fast blattgroße, montierte Gouache auf Pergament mit dem Titel „Studenten-Meubeln“ (auf einem Schriftband): an einem runden Tisch sitzt der elegant gekleidete Student mit dampfender Kaffeetasse, an der Wand hinter ihm Landkarten und ein Dreispitz, um ihn herum Gegenstände, die für seine Tätigkeiten stehen: „Nöthige“ (Pistolen, Degen, Sporen, Peitsche), „Nützliche“ (Bücher, Manuskripte), „Commode“ (Stiel, Stiefelanzieher, Speikrug), „Unentbehrliche“ (Geldsack), „Gefährliche“ (junge Frau in rotem Kleid), „Grillos Curasque vertreibende“ (Geige, Waldhörner) und „Nicht Zuverwüstende“ (Zuckerhüte, Kaffeekannen, Bouteillen, Spielkarten). Diese herrliche Gouache, wohl von einem der berufsmässigen Briefmaler in Jena angefertigt, ist keine Originalerfindung, sondern steht in einer längeren Bildtradition: „Ein ebenfalls in der synoptischen Darstellungstradition stehendes Motiv sind die Studentenmeubeln. Hier werden die zentralen Beschäftigungen des Studenten gewissermassen verdinglicht, was insbesondere bei der abgebildeten Frau für deren Wahrnehmung als Objekt auffällig ist.“ (Marianne Füssel, Deviante Vor-Bilder. Studentische Stammbuchbilder. In: Bild – Macht – Unordnung. Visuelle Repräsentationen, hrsg. von Anna-Maria Blank u. a., Ffm. 2011, S. 149). Eine sehr ähnliche Darstellung, vielleicht sogar vom selben Künstler, findet sich im Stammbuch des Johann Christoph Hamisch (Vgl. Kat. „In ewiger Freundschaft“, Tübingen 2011, Nr. 41), eine weitere im sog. „Serreschen Studentenalbum“ in Halle. Vgl. auch: Stammbüchersammlung Friedrich Warneke (Versteigerungskat.), Berlin 1911, Abb. Nr. 194; Edler Schatz holden Erinnerns (Ausstellungskat.), Bamberg 1995. S. 132: „Ein verbreiteter ikonographischer Vorläufertypus findet sich in Alben seit der Mitte des 18. Jahrhunderts: Dort sind die ‚Studentenmeubeln‘ als Inventar der im Panorama dargestellten Studentenbude arrangiert, zum Teil als Sammelsurium auf dem Boden, und mittels Schriftbändern sieben Bewertungsgruppen zugeordnet.“ – Dazu passen auch die Eintragungen, wie der von dem aus Rothenburg stammenden Jenenser Medizinstudenten Johann Christian Krackhart: „Ein schönes Mädchen sehen | Und sie nicht einmal küssen | Heißt an der Quelle stehen | Und dabey dürsten müßen.“ – Gouache mit kleiner Schabstelle. Nach S. 30 wurde ein Blatt (laut Register mit Eintrag von J. G. Furkel) entfernt, die Paginierung läuft jedoch korrekt weiter. S. 252 mit Ausschnitt im Oberrand ohne Textverlust. – Insgesamt innen und außen prachtvoll erhaltenes Stammbuch.